Workers in Base



Wenn ich die Mittel hätte, würde ich einen Film über sie drehen: Aragaama auf deutsch heißt das „schöne Mutter“ und so ist sie. Letztes Jahr, als wir den Teak-Wald anlegten, kam sie zu uns. Sie ist seit langem Witwe und ihre Kinder haben es alle geschafft und sich in Berufen etabliert. Sie ist mehrfache Oma.
„Warum willst du da oben in den Bergen arbeiten, fragen mich die Kinder. Bei denen müsste ich dauernd vor dem Fernseher sitzen und in geschlossenen Wänden leben. Ich liebe es unter dem Sternenhimmel und in den Wäldern, mit Ziegen und Kühen und Hühnern zu kommunizieren“, sagte sie zu mir. Es ist, als kenne sie die Sprache der Tiere. Ihr liebstes Parfüm ist der Geruch der Natur. Sie trägt ein bisschen Chilli-Puder eingeknotet im Stoff des Saris. “Sollte mich ein verrückter Mann sie angreifen, dient das als ihre Waffe!”, sagte sie verschmitzt. Das mache sie so seit ihrer Jugend. Sie kennt ihr Alter nicht. Ihren Lohnempfang unterschreibt sie mit dem Daumen-Zeichen. Wir haben dafür Stempelkissen. Sie kennt das Alphabet in keiner Sprache. Von Kindheit an hört sie nicht so gut. Ihren Zügen und ihrer Art nach ist sie sehr schön, trotz vielen Falten und gegerbtem Gesicht. Sie bewegt sich grazil und arbeitet zäh und für sich in Stille.Sie erinnert mich an Patti in “Als wir die Welt retteten!”
Morgens kommt sie zur Kuh und führt erst mal ein kurzes Gespräch mit ihr, wenn sie ihr das Wasser in dem sie ihren Reis gekocht hat – diese Landmenschen kochen Reis in sehr viel Wasser und das Wasser hat Nährstoffe – :
„Lakshmi, jetzt stell dich nicht so an und trink aus, ich bin ja nachher für dich da.“ Lakshmi, unsere Kuh liebt sie.
„Wenn ich einige Tage in mein Dorf fahre, ist sie beleidigt, wenn ich zurückkomme und schiebt den Kopf zur Seite“, sagt Aragaama zu mir. Dann bringt sie die hochschwangere Kuh aus dem Stall und bindet sie mit langer Leine an einem Baum im Wald fest. Sie nimmt den neuen Kuhdung und bringt in zu einem Haufen. Wöchentlich einmal wird der frische Dung in einem Eimer Wasser verdünnt und damit werden unsere Lehmböden aufgewischt, desinfiziert und ist ein so schönes weiches Gefühl später darüber zu schreiten.
Aragaama geht dann erst frühstücken, ihren Reis und scharfe Sachen. Schon kommt sie wieder und führt Lakshmi zu Stellen, wo es die besten Kräuter gibt. Sie erntet anschließend entweder Kaffebohnen im Wald oder jätet Unkraut in den vielen Gärten. Sie stampft die Kaffee Schale und die Kernen fallen raus. (sieh Bild). Am Nachmittag führt sie Lakshmi zu den besten Gräsern, abends gibt sie ihr Salzwasser und bringt sie zurück in den Stall.
So viel Aufwand für eine Kuh? Werdet ihr vielleicht fragen. Ja, in der Nähe einer Kuh zu leben und sie zu versorgen ist Meditation über das Sein. Ist eine tief verankerte Weisheit in der Hinduphilosophie.

Dann das breite, sonnige Lächeln von Manimegelei. (Ihr Name kommt in meinem ersten Roman “Karmatanz” vor. Dort ist sie eine erleuchtete Frau, die eine Schale hat, mit der sie die Bedürftigen speist, ohne das diese je leer wird.) Sie kocht sagenhaft, hält die Küche top in Ordnung und unsere Gäste sind alle verliebt in sie. Sie ist hier die Perle im Haushalt. Sie macht auch, wenn keine Gruppen da sind, sauber und hilft im Gemüsegarten. Ihr Schicksal ist auch so eine Geschichte. Als junge Fabrikarbeiterin kam ihr Bein in die Maschine. Seitdem kann sie nicht klettern. Ihr Mann ist mit einer anderen Frau durchgebrannt. Sie hat einen Sohn, der gut dasteht, aber einen, der Epileptiker ist und teure Medikamente braucht. Derzeit arbeitet er nicht und schaut aber nach seinen zwei kleinen Mädchen. Seine Frau arbeitet auf dem Bau und verdient einigermaßen für deren Verhältnisse. Manchmal ist Chaos dort und Manimegelei muss runter in ihr Dorf.

Citravel (wundersamer Speer) trägt Murgas Name. Murga ist eine wichtige Deity in der Gegend hier. Er war einst der Gott der wandernden Stämme und der Zigeuner.
Citravel ist die Seele von Base weil er alle Pflanzen kennt. Als er hier anfing, dachte ich was für ein verschlafener, lahmer Typ; aber dann, wenn ich neben ihm stand, kam ich immer sonderbar schnell zur inneren Ruhe. Wir hatten einige andere Arbeiter, die vor unseren Augen hektisch und arbeitsam sind, aber aus vielen, hier nicht nennbaren Gründen, alle nicht gut für diesen Platz waren. Citravel kann auch mal in eine Trance gehen und weg sein. Er hat eine eigenständige Beziehung zur Natur. Aber er ist es, der diesen magischen Platz verwalten kann. Er erinnert mich an eine der biblischen Figuren aus “Geliebte Gottes.”

Base kommt teilweise für deren Enkel auf und steuert zur Ausbildung bei. Base ist auch die Krankenkasse für diese Leute und in Zukunft möchte ich gern, dass für sie immer gesorgt wird, denn sie sind der feste Bestandteil dafür, das Base weiter existieren kann.

Und dann gibt’s Varun. Er arbeitet hier, wie auch wir, umsonst und unterstützt damit unser Ansinnen in Base. Sind wir im Ausland, kommt er hoch und quatscht mit den oben genannten Arbeitern und Nachbarn von Base und sieht nach deren Belange und Sorgen. Alles Geld von Gästen und Kursen geht die Base Kasse. Er hilft auch mit beim Unterrichten von Schülern.

Wir wollen diesen Wald hier erhalten, denn um uns herum wird gerodet und das Luxusleben der Städter hält Einzug mit all den Befindlichkeiten und dem äußerst schlechten Geschmack und einer „voyeuristischen“ Beziehung zur Natur. Hier kämpfen wir für die Erhaltung eines ursprünglichen Waldes und der Gewinnung für Wasser, für ein „primitiveres“ Leben, weil das für die Zukunft wichtig sein wird. Wir sehen darin prakriti und umsorgen und verehren sie: Ihre vollen, glänzenden Haare sind die Wälder und die vielen tausend neue junge Bäume wir gepflanzt haben und die prächtig kommen, ihr atmen sind die Bächlein die munter fliessen und ihr Gedanken sind die singenden Vögel in der Früh um Sechs.

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