Immer wieder haben Leser meines Romans mich gefragt, ob ich Krishnamurti Krishnamacharya und Rukmini Devi persönlich getroffen habe.
Ja das habe ich.
Ich habe Krishnamurti bei einer seiner Vorträge unter dem Banyan Baum in Vasanta Vihar, Chennai, gehört und gesehen. (Dezember 1984 oder 85 war das) Dieses Erlebnis habe ich ziemlich genau im Roman geschildert. Eine Woche später war ich mit einem Freund, der zum im inneren Kreis Krishnamurtis gehörte, bei einer kleinen session, bei der nur circa 15 Leute zugegen waren. Ich saß in unmittelbarer Nähe des beeindruckenden Mannes. Er verbreitete eine sehr meditative und trotzdem glasklare Stimmung, man war wie auf anderem Planeten und trotzdem direkt präsent. Sriram allerdings war mehrmals mit Sri Desikachar bei ihm und sie haben Vedic Chant vorgetragen. Sriram hat immer nach diesen Begegnungen davon berichtet, dass Krishnamurti die Chants alle mit rezitieren konnte. Er hat das Traditionelle, bzw. wie damit umgegangen wurde, zwar abgelehnt und trotzdem gepflegt und gekannt.
Krishnamacharya bin ich an jenem Tag persönlich begegnet, als das Theater in Kalakshetra (etwa Dezember 1984 oder 85 ) eingeweiht wurde und viel Gelehrte eingeladen waren. Damals hat Rajiv Ghandi als Primeminister zuerst gesprochen. Krishnamacharya hielt kurz danach eine Ansprache in Sanskrit. Er sprach mit dem Rücken zum Publikum und blickte eher auf das Idol von Nataraja und auf Rukmini Devi, die er gut kannte, und die hinter ihm stand. Er wurde vorsichtig zum Publikum hin gedreht. Er lebte in seiner eigenen Welt und nicht der von Theatern und Großveranstaltungen.
Persönlich habe ich ihn im Türrahmen bei seiner Ankunft zu diesem Event getroffen. Er wurde von Srirams Freund geführt (er war damals 95 oder älter) und dieser Freund hat mich ihm als Srirams Frau vorgestellt. Ich habe ihn als sehr klein gewachsen und mit unglaublich lichtvollen Augen in Erinnerung, er sah aus wie man sich im Märchen einen Waldschrat vorstellt. Sein Lächeln war einfach liebenswert. Sriram wollte mich immer mitnehmen und mich ihm zuhause vorstellen. Ich wollte das irgendwie nicht, so als Gafferin einen ungewöhnlichen Mann anstarren. So ist mir diese überraschende Vorstellung sehr im Herz geblieben, den Kalakshetra war mein zuhause.
Rukmini Devi habe ich zum ersten Mal bei meiner Ankunft im College getroffen. Es war ein Pongal Feiertag Januar 1977 und die sie war dabei mit Priestern, die Kühe des weiltäufigen dschungelartigen Geländes vom Kalakshetra Campus zu schmücken und bemalen. Ich war zunächst enttäuscht, weil ich mir eine indische Tänzerin anders vorgestellt hatte. Sie war etwas dicklich im weissen Sari und hatte einen sehr strengen, eher abweisenden Ausdruck. (Das Menschen bei Ritualen in Indien von Westlern immer blöd angequatscht werden ist mir erst heute bewusst) Sie muss Mitte 70 gewesen sein.
Von da an habe ich sie jeden Tag bei der Morgenandacht unterm Banyan Baum im College gesehen. Wir Schüler saßen alle auf dem Boden und sie kam angefahren (sie lebte in der theosophischen Gesellschaft und kam im Auto mit Sankara Manon, dem Sanskrit Gelehrten in einem Auto, das jemand anderes fuhr (eventuel Sarda teacher?) Als sie ausstiegen und herbeiliefen war eine große Ehrfurcht und Anspannung unter allen anwesenden Schülern zu spüren. Stille, kerzengerades aufmerksames im Lotossitz sitzen. Nach dem ersten Semester hat sie meine erste Prüfung abgenommen und ich spürte ihr Wohlwollen mir gegenüber, die anderen Lehrer waren anfangs von oben herab und sehr streng mir gegenüber als Westlerin. Ein Jahr später, als ich Schwierigkeiten mit einem meiner Lehrer hatte, der mich permanent ignorierte und wie Luft behandelte, habe ich sie direkt angesprochen, als sie – immer mit Regenschirm gegen die Sonne, über den Campus lief. Sie war mir äusserst zugetan und hörte sich meine Sorgen an und hat das Problem umgehend gelöst. Ich kam in eine andere Klasse.
Zuletzt habe ich sie an ihrem Todestag gesehen. Sie lag aufgebahrt in ihrem Haus in der Theosophischen Gesellschaft, (das Haus habe ich in meinem Roman beschrieben) auf der Veranda hinter Haus sangen sie vedische Rezitation und sie lag unter Blumenketten. Alle ihre Hauptschüler, die unsere Lehrer in Kalakshetra waren, saßen um den aufgebahrten Körper. Ich erinnere mich an ihr Gesicht, es war so wunderschön, sie lag erfüllt da, es war ein göttliches Antlitz. Ich wagte kaum hinzuschauen, so besonders war der Ausdruck. Schönheit, oder Saundarya Yoga, hat sie ihr Leben lang propagiert, ob in Tanz, oder Webkunst, oder Architektur…:”Schönheit erhebt uns und macht das Göttliche erfahrbar”.
Seit dem ist ihr Haus für mich ein wichtiger Pilgerort, wenn ich in Chennai weile. Es steht meistens seit ihrem Tod leer und ich sitze dann auf der hinteren Veranda und denke an die damalige Zeit bevor die Technologie und die Industrialisierung so weit fortgeschritten war. Ich spüre die Schönheit ihres Lebensstils.
All diese Eindrücke wollte ich schildern und habe deshalb auch den Roman ‘Als wir die Welt retteten’ geschrieben. Ich wollte diese besondere Zeit der 70 und 80 Jahre bezeugen.
Danke nochmal für Deine aktuell gestellte Fragen Stephan.