Anita und die Schamanen

Als ich endlich Anita wiedersah fiel mir sofort auf, wie schön sie geworden war, wie weich ihr Gesicht; und auch ihre Stimme war gefälliger und ein wenig höher. Der Stress der ihren Worten etwas Harsches verliehen hatte, war aus ihrer Sprache gewichen und sie redete jetzt leiser. Sie trug die Haare kurz. Das weite Hemd lässig über der Hose betonte das knabenhafte ihrer Erscheinung. Drei Jahren waren vergangen seit unserer letzten, eher verstörenden Begegnung in Base. Damals schien sie unstet und völlig verunsichert. Zwischenzeitlich hatten wir nur sporadisch voneinander gehört. So hatte ich mitbekommen, dass sie von Jose getrennt war. Sie lebe jetzt mit ihrer neunjährigen Tochter allein, gab sie als Antwort auf meine Frage.
„Besuch uns, es ist so schön, bei uns liegt diese ganz besondere feminine Energie über dem ganzen Haus. Dir wird’s gefallen“, sagte sie.
Ich war neugierig, was genau der Auslöser für die Veränderung in ihr gewesen war.
„Ich habe eine Ayahuasca Zeremonie mitgemacht, sie hat mein Leben völlig umgekrempelt.“ Als sie zu erzählen begann von der Reinigungszeremonie, bei der sie sich zunächst konstant übergeben musste und die Helfer des Schamanen sie stützen, wurde ich sowie Sriram zu gebannten Zuhörern.
„Hattest du keine Angst gehabt?“
„Da war keine Anita mehr, mein Ego war erloschen, also gabs keine Angst, ich war in dem Fluss, dem Singsang der Nichte des Schamanen aus Brasilien. Sie begleitete die gesamte Zeremonie mit der Gitarre.

Ich erinnerte mich wie sehr Anita Pflanzen liebt, wie sie sich jahrelang in die Permaculture eingearbeitet hatte. In Base hat sie mehrere Seminare darüber geleitet und bekannte und wichtige Lehrer dazu eingeladen.
„Angie, ich hole Kräutern aus dem Garten um uns einen Tee aufzugießen“, sagt sie mit selbstverständlicher Überzeugung, dass in meinem Garten in Chennai Kräuter wachsen würden. Wir standen auf, um sie zu suchen. Wir fanden Tulsi. In der Küche setzte ich Wasser auf.

„Hast du dich vor oder nach diesem Erlebnis mit der Ayahuasca Pflanze von Jose getrennt?“ fragte ich Anita, die mir gefolgt war.
„Es begann, als ich von einem anderen Mann fasziniert wurde. Die Anziehung war lange rein platonisch. Wir hatten so viel zu bereden. Er hatte die Zeremonie schon fünf Jahre zuvor gemacht. Durch ihn wusste ich, ich muss das machen. Als dieser Mann in meinen Gedanken konstant da war und ich es Jose erzählte, sagte Jose, ‚du musst dem nachgehen!’ Er stand mir nicht im Weg. Wir waren die ganzen letzten Jahre nur am Streiten gewesen. Also fuhr ich zu dem Menschen, der mich so faszinierte und wir kamen zusammen. Jose verlies mich umgehend als er meine neue Liebe mitbekam und ging nach Madrid. Er hatte dort seine kranke Mutter und ging anderen Geschäften nach. Plötzlich war ich nach zehnjähriger Beziehung allein mit unserer Tochter. Das war sehr krass. Ich zog zu meinen Eltern. Da Priya bei ihnen gut aufgehoben war, fuhr ich zu der Ayahuasca-Zeremonie.“


Anita holte ihr Phone aus der Tasche und spielte eine Singsang Melodie der schamanischen Zeremonie. Draußen drückte die Mittagshitze, während es im Inneren des Hauses kühl war.
„Es war der Schnabel eines seltenen Vogels mit dem der Schamane uns die Haut anpickte und es ging viel Gift in mich, genug und nicht zu viel, so dass ich mich ständig übergeben musste. Ihr werdet euch wundern, aber ich sah zu, wie ein Dämon aus mir herauskam.“
„Ohh…, wie war das, was hast du gesehen?“, fragte Sriram.
„Wie sieht ein Dämon aus?“, fragte ich.
„Schrecklich! Es war entsetzlich! Ich blickte ihm in die Augen! Und dann bin ich ohnmächtig geworden. Als sie mich aufhoben, war ich befreit. Ich war so federleicht und konnte nur mit Unterstützung gehen. Es waren so viele liebe Helfer bei der Zeremonie, dass ich mich getragen fühlte. Es gab dann einen weiteren Trank der die sanfte Energie, die nennen sie das Männliche, in uns lenkte. Interessant, dass sie von dem heftigen würgenden Trank als der weiblichen Pflanzenenergie sprechen! Das Ganze dauert fünf Tage. Ich weinte und weinte, manche lachten und lachten, andere redeten völlig wirres Zeug.“
Sie schwieg und schaute mich aus ihren klaren dunklen Augen direkt an. Wir standen auf und brauchten eine Pause von den Erzählungen. Ich goss das heißgewordene Wasser auf und nahm die Teekanne, sie trug die Schälchen und wir gingen hinauf auf die überdachte Dachterrasse. Sriram folgte uns.
„Meine neue Beziehung begann damit, dass Santosh mit mir seine intimsten Erfahrungen teilen konnte. Meine Beziehung mit Jose endete, als er endlich seine intimsten Erfahrungen, Sachen die ihn belasteten, mit mir teilte. Jose, nachdem wir Schluss gemacht hatten sagte Dinge, von denen er glaubte, ich würde ihn verlassen, wenn ich sie hörte – und nun, da ich ihn verlassen hatte, konnte er sie sagen. Also vor einem Jahr, nachdem wir unsere Beziehung beendet hatten, lagen wir uns in den Armen und weinten.“
„Verrückt, was wir für Blockaden mit uns tragen. Es ist doch einfach irre, dass du, ja ihr Beide, sie lösen konntet.“ fügte ich ein.
„Ja, und wir bleiben verbunden. Wir wollen unser Land und das Haus verkaufen und den Erlös teilen. Klar, wir bleiben Familie, haben unsere Tochter. Gerade ist er aus Madrid zurück und weilt in meinem Haus mit unserer Tochter. Sie müssen Zeit ohne mich füreinander haben. Deshalb bin ich für einen Job – ich bringe Permakultur in ein großes Unternehmen – in Chennai. Jose sucht gerade ein Haus in unserer Nähe zu mieten.“
Sie setzte sich auf die kleine Mauer unter dem Terrassenbogen und zog einen langen Joint aus der Tasche. Es wärmte mir das Herz zu hören, wie einverständlich sie sich getrennt hatten. Ich mochte Jose und kannte seine feinen Seiten. Ich fand es großartig, wie diese zwei jungen Leute hier Reife entwickelt hatten.
„Naja, leicht war es nicht. Ich hatte eine ganz schön schwere Zeit, denn Jose und ich haben ja gemeinsam die Farm und das Haus aufgebaut. Aber Ayahuasca ist auch eine Begegnung mit den Pflanzen als unseren Schutzgeistern. Ich sprach mit einem Blatt und es antwortete wie ein Mensch. Es nahm mir die Last ab…“ Hier fiel ich ihr ins Wort.
„Das ist genau was der dominanten westlichen Welt heute fehlt. Die meisten sind völlig getrennt von der Natur und bibbern nach Hilfe, das sehen wir gerade jetzt! Sie reden Tag aus Tag ein übers Impfen, als wäre es die Rettung unseres Planeten.“ Sriram sah mich scharf an: „Halt dich zurück mit deinen Kommentaren, lass sie erzählen. Wir wollen alles hören.“

Also legte ich mich gemütlich auf die Couch. Der Wind wehte mit sanfter, kühler Brise vom Meer herbei. Sie nahm einen Zug, blies den Rauch langsam und begann wieder zu erzählen. Ihr Gesicht war so lebendig als würde sie alles nochmal durcherleben. Die dämonischen und die himmlischen Erfahrungen spiegelten sich in ihren Zügen wieder, sodass ich völlig gefesselt wurde und keine Zwischenfragen mehr stellte , sondern ihr wie einer Märchenerzählerin zu Füssen lag, das heißt, ausgestreckt auf der Couch, und ab und zu sogar die Augen schloss, um mich ihrer Erzählweise hinzugeben. Auch Sriram saß zurückgelehnt und völlig verzaubert in seinem Korbstuhl. Ihre Mimik über das Glück des Erlebten, wurde für uns zum Genuss. Ihre Gesten in der Luft veranschaulichten ihre Sätze. Vor uns saß eine Frau, die auf dem Höhepunkt der weiblichen Schönheit angelangt war. Es war klar, dass der fünf Jahre jüngere Mann sie offensichtlich verehrte, woher sonst kam das Blühen in ihrem Gesicht, und wie sonst hatte sie diese Lust auf Ausbruch aus dem alltäglichen Rund bekommen.

„Santosh und ich teilen einen ähnlichen Hintergrund. Seine wie meine Eltern waren in hoher Position in der indischen Armee.“
Ich nickte und verstand. Beziehungen von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen brauche viel Toleranz, viel Geduld und oft fehlt das Selbstverständliche.
„Angie, die Ayahuasca Zeremonie, das war die Immunisierung gegen kommende Krankheiten und Reinigung zugleich.“ Sie benannte nicht was für Krankheiten, vielleicht meinte sie die alles dominierende Pandemie, ließ es aber offen. Wir sollten denken, was wir wollten.
„Die Schamanen der Zeremonie kommen extra in die anderen Länder um außerhalb Brasiliens die Welt auf ihre Kultur und die Bedeutung des Regenwalds aufmerksam zu machen. Es gibt auch noch was anderes als die Wissenschaft des Westens! Eine Gegenposition zu der Scheiß-Entwicklung der dominanten westlichen Welt.“
Ich dachte plötzlich an die armselige Dauerberieselung der westlichen Nachrichten mit den Statistiken, die zeigen wie viele gestorben sind, und wie viele das Virus tragen, auch ohne krank zu sein. Wir alle werden es früher oder später sowieso in uns tragen, auch wenn wir uns wiederholt impfen. Nur ob wir die natürliche Immunisierung irgendwann in unserem Körpern zerstört haben und uns von Pharmaprodukten abhängig machen, wissen wir nicht.
Anita zieht selbstbewusst an ihrem Joint und fährt fort:
„Ich lebte eine weile bei meinen Eltern nach dieser wahnsinnigen Erfahrung. Um das Erlebte zu verarbeiten, besuchte ich eine bekannte Hypnotiseurin, die in der Nähe meiner Eltern lebte. Es gab drei Sitzungen. Bei der ersten war ich ein junger Mann, ein Sklave, der ein Leben lang nie Liebe erfahren hat, nie eine Berührung, nur ab und zu geschlagen wurde und aus Notwehr einen der Herrscher umgebracht hat. Dabei hatte ich große Genugtuung. Am Ende der Sitzung rief die Hypnotiseurin mich zurück. Sie arbeitet mit den Bildern der Engel und rief mich mit ihnen zurück in die Realität. Jesekiel empfingen mich und sagte: Du bist bei uns. Ich antwortete, ‚ich bin es doch gar nicht wert hier zu sein.’ ‚Nein, nein’, sagte der Engel und führte mich durch die Himmelspforte in einen völlig seligen Bereich, ‚Du bist es wert’. In diesem Moment der Rückführung war mir klar, dass ich mich oft inadäquat im Leben fühle.
Bei der zweiten Sitzung geschah es dann: Ich war wieder ein junger Mann in einem vorigen Leben und war in eine junges Mädchen verliebt. Aber ich war sehr schüchtern und hatte nicht den Mut, mich ihr zu nähern. Sie gehörte zu einer höheren Gesellschaftsschicht. Sie ging jeden Tag mit ihrer Mutter über die Straße und wir schauten uns jedes Mal sehnsüchtig an. Ein älterer Mann beobachtete mich und blickte in mein Inneres. Er bot mir Hilfe an: ‚Komm mit mir und vertraue mir.’ Ich folgte ihm in den Wald und er machte ein Feuer. ‚Schließ deine Augen und wiederhole genau was ich sage.’ Ich gab mich seiner Stimme und der Weite darin hin und wiederholte seine Worte. Irgendwann öffnete ich die Augen und sah den Kopf eines Dämons im Feuer. Er sah mich aus bohrenden Augen an. Das war der Augenblick, in dem ich dem Dämon zutritt gewährt hatte. Diese Erkenntnis machte ich während der Hypnose. Der Mann hatte den Dämon aus seinem Körper losgelassen und war erlöst. Er sagte: ‚Mit seiner Kraft kannst du fast alles erreichen und du wirst endlich auch das Mädchen ansprechen.’ Ja, ich sprach das Mädchen an, aber es sagte: ‚Du bist nicht der, der du bist, sondern ein anderer.’ Ich fühlte mich wieder unwürdig, zog mich zurück und lebte allein in einer Einsiedelei. Menschen begannen mich als etwas Besonderes zu verehren. Ich bekam einen Guru Status. Ich ließ alles geschehen, obwohl ich wusste, dass ich mit der Kraft des Dämons wirkte. Aber als mein Ende nahte, schrie ich laut und zeigte meine dämonische Fratze: ‚Ihr habt etwas Falsches verehrt! Ihr seid von einem Dämon verführt! “
Wieder rief die Hypnotiseurin die Engel herbei. Dieses Mal kam ein ganze Heerschar und nahm mich zu sich. ‚Wie kann ich bei euch sein, ich verdiene es gar nicht, ich habe mich dämonischen Kräften hingegeben! ‚Nein, du hast dich nicht dem Dämon hingegeben, sondern Allem, besonders der Liebe. Du hast etwas viel größeres gesucht!’
Anita lachte laut auf und sagte:
„Stell dir vor, da wieder ist sie, die gleiche Geschichte mit dem Dämon aus der Ayahuasca-Zeremonie. Ich fand den Zusammenhang, warum ich von einem Dämon besessen war!“
Ich lag auf den Divan und schloss die Augen. Plötzlich war ich Teil einer fantastischen Welt. Dann fuhr Anita fort:
„Es machte alles Sinn. Es gab eine dritte und letzte Sitzung und diesmal war ich in Europa, eine Frau in altertümlicher Kostümierung. Wieder bekam ich überhaupt keine Zuwendung und lebte jungfernhaft in einem Kloster. Plötzlich war das Kloster meine eigene Vergangenheit und ich war in meinem jetzigen Leben in einem Ort in Südindien. Da war meine erste Schule. Ich ging mit fünf Jahren tatsächlich in eine christliche Kloster-Schule. Der Hof war von hohen Mauern umzäunt und es gab keine einzige Pflanze darin. Es war Sand und Hitze. Trostlos. Ich sah Betonmauern. Die Lehrer waren streng und wurden zu Monstern. Sie lebten von der jungen frischen Energie der Kinder. Allmählich erkannte ich, dass diese Lehrer alle Dämonen waren. Wieder rief mich die Hypnotiseurin zurück zu den Engeln. Wieder stand ich an der Himmelspforte. Die Engel sagten: ‚Wir sind da für dich. Wieder sagte ich: ‚Ich bin eurer nicht würdig. Ich bin schlecht!’ Noch unter der Hypnose wurde ich panisch. Die Engel riefen mir zu: ‚Schicke Licht, schicke Bomben aus Licht um die Dämonen, die aus allen Wänden des Klosters sprießen zu verdrängen. Ich kämpfte gemeinsam mit dem Licht der Engel. Mit einer ganzen Armee aus Engeln besiegte ich die Dämonen auf meinem alten Schulhof.
Kurz bevor ich in die Realität zurückkam, hörte ich die Engel: ‚Du hast Deine Kraft mit dem Licht vereint. Deine Seele den universelle Vorstellungen hingegeben!“
Anita schaute in die Luft und schüttelte den Kopf in Bewunderung der Schöpfung. Jedenfalls interpretierte ich das so.

Wir tranken Tee. Dann, als hätte sie es nur deswegen alles erzählt, fragte sie Sriram:
„Was hältst du von dem allem?“
Ich hörte Sriram sagen:
„Es kann sein, dass es alles Unwirklichkeit ist und im Bereich der Illusion, dass aber diese Unwirklichkeit viel wichtiger für dich ist, als die Wirklichkeit, um herauszufinden, wer du wirklich bist und was Dein Auftrag in diesem Leben sein könnte.“

Zum Schluss sprachen wir gemeinsam darüber das Astra Zeneca kurz vor dem Verfall von der EU an Afrika geliefert worden sei und diese afrikanischen Staaten in so schneller Zeit gar keine Impfkampagne organisieren könnten. Wir sprachen darüber, dass es derzeit nur wenige, ganz wenige schwere Covidfälle dort gäbe, da in manchen Staaten die Bevölkerung längst, vielleicht durch durchgemachte Krankheit, immun sei und sie genug Sorgen hätte. Ihre Länder brauchen nicht auch noch zur Müllhalde der Pharmaindustrie gemacht werden. Hunger, Dürre, Umweltkatastrophen bedrohen sie, während die EU-Regierungen uns glauben machen, mit unseren Medizinlieferungen würde ihr Problem gelöst.

Ich schäme mich Mensch zu sein. Wo die Dämonen stehen und wo die Engel zu finden sind, das ist mir aber so was von klar in diesem Augenblick in Chennai auf meiner Terrasse.