Arunachalam, irgendwann?

Eingenommen
von der Weite der fliegenden Berge, der Schönheit der Passionsfruchtschlinger, ihrer süßen Früchte, den in unterschiedlichsten Tönen zelebrierenden Vögeln – z. B. dem „black Hawk“ der nahe bei uns mit weiten Schwingen vorbeischwebt – und auch den eingeborenen Bergmenschen, den „Wolkengängern, die leichtfüssig die Steigungen rauf und runter rennen, leben wir ohne Fernsehen, selten Internet und Zeitungen und wissen kaum was außerhalb unseres Bannkreises passiert.
Wir haben einen alten Jeep Mahendr Max, aber wir fahren ihn nicht, denn die Serpentinen hoch sind teilweise so kaputt, dass uns ein junger Mann aus der Bergwelt fährt, wenn wir nach Kodaikanal müssen (für Ämterarbeit und Einkaufen).
Kodai ist ein verrückter Ort: Christen, Moslems Hindus, Juden( die vielen Jugendlichen aus Israel) jungen westlichen Aussteigern, eher anarchistisch anmutend ein paar hängengebliebene Hippies, dazu smarte reiche Inder in imposanten Anwesen zwischen alte englischen Steinhäusern existieren dicht an dicht.

Wir haben uns hohe Ziele gesetzt (siehe Beitrag Base 1 und 2) und sind ein bisschen verloren darin. Aber es ist trotzdem schon viel geschehen. Die Lanterna –diese Unkraut dass alles erwürgt, jungen Bäumen keine Chance zum Leben gibt, ein undurchdringbares Dickicht bildet und bis in den Dschungel hineinwächst, so dass die Elefanten bald in unsere Supermärkte kommen müssen um Nahrung zu finden!!!!!—diese schrecklichen Hinterlassenschaften der Kolonialzeit, die Teak und Rosenholz abgeholzt hat und diesen Unsinn aufs brache Land gesät—-dieser Unsinn verschwindet, denn wir haben 2 teams auf dem Land, die Lanterna mit ihren Macheten raushauen.

Wie diese schlanken Menschen arbeiten könne, der normale Tageslohn betrifft 7-8.- € für diese Arbeit unter der Sonne, das beeindruckt; noch mehr beeindruckt wie einfach sie leben. Eine Sippe besteht aus Matriarch und Patriarch (Oma und Opa) die respektiert sind und das sagen haben. Sie leben mit ein paar Ziegen in einer Einraum- Steinhütte und um sie herum leben ihre 5-9 Kinder in weiteren Häuschen oder Hütten, die wiederum an die 20 -25 Enkel haben. Meistens haben sie ihr Land verkauft und leben auf irgendjemand seinem Land auf dem sie Bohnen anbauen. Viele sind Christen denn die Missionare sind hier fleißig. Sie haben neben uns eine Schule gebaut und haben den Kindern Namen wie Felicia Bemina gegeben, aber deren Familien kennen den Unterschied zwischen Christen und Hindus nicht und nehmen ihn nicht wichtig. Es leben auch „tribals“ hier, sie waren bis vor kurzem im Urwald als Sammler (Honigsammler)unterwegs und haben sich nun in Grashütten auf fremdem Land (Besitzer in Großstädten)niedergelassen. Sie sind noch sehr unberührt von den Religionen und Meinungen dieser Welt. Auch sie bauen Hülsenfrüchte an und jeden Tag kommt ein Lastwagen aus Madurai und sammelt die Ernte auf. Aber sie sind frei. Weg von den Manupulationen der Werbung und anderer Meinungsmacher wie Nachrichten etc., sie kommen und arbeiten eine woche dann bleiben sie weg, dann genießen sie ihren Wochenlohn mit ein paar drinks und entspannen in der Schönheit der Natur. Unsere Dringlichkeit Dinge entstehen zu lassen bleibt ihnen fremd. Die größte Herausforderung an uns wird sein sich hier anzupassen und „sein zu lassen“, besonders den vollgestopften Kopf.

Unser Leben hat sich mit einem Schlag verändert. Ich fürchte mich vor dem Abfall, den die Zivilisation bringt mehr als je. Auf der Straße nach Kodai wird er krass und sichtbar. Die nächste Müllabfuhr ist 16 km weg und die verbrennt alles irgendwo oder schmeißt z.B. Batterien in die Bäche. Also bedeutet es, ja nicht so viel zu besitzen, nicht so viel zu verbrauchen oder kaufen.

Hinter einem freigeschnittenen Feuerkorridor an unserer oberen Grundstückgrenze – es gibt Waldbrände -, ist der Blick frei auf den felsigen Berg dahinter. Er ähnelt in seiner Form Arunachalam, nur ist er nicht berühmt und liegt unberührt und unschuldig vor uns. Unbedarft, gleichzeitig voller Energie. Es gibt ein Wasserfall und Felsen von denen aus man rechts hinüber auf die alte Tempelstätte Pallani blickt und nach links auf die Kultstätte Pumpare. Die unsichtbare alte Kraftlinie des Murgakultes geht über unser Grundstück entlang. Hier stechen sich Menschen im Trance Lanzen (Speere) in den Körper.
Die Waldmenschen haben weite große Augen und markante Gesichter. Es gibt heilige Haine, unberührte Natur die schamanisch verehrt wird und deren Geheimnisse nicht nach Außen dringen, sie können weder fotografiert noch beschrieben werden.

Seit ich hier lebe, merke ich wie wenig ich zu sagen habe und wie viel es zu schaffen gibt. Warum haben wir das nicht vor 10 Jahren schon angegangen? Wenn hier die Affen rumturnen, denke ich mein Geist gleicht ihrem, von Ast zu Ast, einfach so. Zehn Minuten weiter unten sind unsere nächsten Nachbarn die unser Herkunft kenne: ein junges Paar mit Kleinkind, Aussteiger aus der „corporate world“ aus Bombay…die ihr Grundstück und ihren Hausbau gestalten sie im Sinne von Permakultur…und wir fühlen uns plötzlich wie Sarah und Abraham, die so spät mit diesem Land noch ein so bedeutendes Kind bekamen. Ich stand mit Bhagjam gestern an der Südgrenze des km weiten Grundstücks.. Er ist der Enkel vom Vor – Vorbesitzer, dem das Land damals unter der Landreform, die „tribals“ Land besitz zuteilte, und er erinnerte sich an seine Kindheit und erzählte wie es hier einst war. Neben uns stand ein verwildertes Felsmasiv, er sagte:“ dort haben wir jeden Tag gebetet.“ „An welchen Gott? Gab es ein Idol da?“ „Nein, nur so!“ Dann gaben wir unseren Landarbeiter den Auftrag auch dieses Dickicht freizuschneiden. Sie  waren glücklich, dass wir die alten Kultstätten aufräumen. „Morgen am Freitag ist ein guter Tag. Lass ihn uns  befreien vom Unkraut und den stacheligen Lanterna büschen!” Was herauskam ist ein Oleander, er ist jetzt tot und nur noch Skulptur, meinten wir. Auch wir wollen beten. Zu welchen Gott? An die Mutter Erde natürlich.

Wir glauben das man mit bestimmten Bakterien im Körper besser in Indien leben kann, und fürchten Dreck nicht, eher ist er Erdstaub der nicht in die Nase sollte. Eher fürchten wir Chemie. Wir wünschen uns natürlich noch ein paar praktische Mitvisionäre die hier arbeiten und reduziert leben können. Krishnamacharia hat gesagt „im Himalaya haben ich mit meinem Guru den Sommer über ganzen Tag gearbeitet, gesammelt, Buchweizen angebaut, die Tiere (Yags) versorgt. Dann kam der Winter und wir haben uns in die Stille begeben – für Studien und die Meditation.“
So kommt es mir hier vor. In der Regenzeit von Oktober bis Dezember kann man hier gar nichts tun als zuhören wie das Wasser vom Himmel kommt und die Erde nährt. Dann ist auch hier Zeit für Stille.
Die beiden Kühe die hier mit uns leben sind wunderbar. Sie sind so groß und sehen so gefährlich aus mit den geschwungenen Hörnern, aber sie sind so sanftmütig und schön wie Gazellen. Lakshmi Mantra habe ich vor vielen Jahren gelernt. Aber es in der Gegenwart einer hochschwangeren Kuh zu sagen, erscheint sinnvoll. Unsere Kuh heißt Lakshmi und beansprucht viel von unserer Zeit. Mit ihrem Shit, den wir morgens einsammeln, putzt Devi die Terrasse unseres Hauses. Sie ist aus Lehm ist. Und natürlich wöchentlich die kleine Meditationshütte die auch aus Lehm gebaut wurde. Ich weide die Kühe und begleite sie auf einer 1 km langen Strecke, überall dahin, wo es Gras gibt und abends bürsten wir sie und bringen sie in ihren neugebauten Stall. Hätte nie gedacht nochmal ein so großes Haustier zu haben. Lakshmi gehört zu den aussterbenden alten Urrindern der Kangeyam Rasse. http-//www.thehindu.com/#28F151
Falls jemand mehr wissen will darüber.
In Airlenbach/Beerfelden gibt eine Kuh zu guten Zeiten 40 -50 l Milch pro Tag. Diese Kuhsorte höchstens 3- 4 l und davon geht auch noch einiges an das Kälbchen. Menschen sollten deshalb nicht so viel Milch konsumieren, wenn sie nicht zu künstlich werden wollen.

Irgendwann werden wir mit dem Bauen beginnen, wir werden 5 Häuschen bauen, noch entscheiden wir wie ob Stein oder Lehm…die Steinklopfer arbeiten hier, denn alles ist voll mit Felsen und natürlichen Zengärten.
Das Aufforstprogramm beginnt im August hier. Wir werden jemand beauftragen. Es ist wichtig, noch mehr Bäume zu pflanzen, weil sie das Wasser in der Erde mehren. Und Wasserknappheit wird eines der großen Probleme der Zukunft werden.
Ich schreibe Texte in Einklang mit der Natur. Das ist nicht zeitgemäß, weil Menschen Fremde geworden sind in der Wildnis. Aber vielleicht sind es Texte von morgen, wo Menschen gezwungenermaßen sich wieder dem Diktat der Natur beugen müssen.
Diese Bescheidenheit lernen wir hier und sehen deshalb fröhlich ins Morgen.

2 Kommentare

  1. Liebe Anjali,

    vielen Dank, dass ihr uns an diesem wundervollen Geschehen teilhaben lasst.

    Eine große Inspiration!

    Danke…

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