Weltschmerz und Feierabend

Weltschmerz und Feierabend sind, wie Kindergarten, wunderschöne deutsche Worte. Irgendwie umfassen sie auch eine Lebensspanne. Für Kinder ist es so wichtig eine Nähe zur Natur zu entwickeln und sich dabei den Garten zu erschließen.

Im Erwachsenensein sind wir so oft unmutig, unerfreulich betroffen oder fühlen uns unglücklich. Das persönliche Leid  als allgemeingültig – etwas das alle betrifft – wahrzunehmen, ist der Weltschmerz. Er gehört dazu.  Er weitet das Herz.

Feierabend ist nicht nur heute nach getaner Arbeit,  sondern dann, wenn die Stunde geschlagen hat,  nach der letzten Lebensphase. So können wir auch ‚jetzt ist Feierabend’ für sie oder ihn oder es sagen, wenn ein Leben zu Ende geht.  Das transzendiert Schmerz in die Weite und ein Lebewesen verbindet sich mit dem Glücklichen.

Srirams Bruder ist gerade mit 74 gestorben. Erst wurde Krebs diagnostiziert (im Dezember). Danach hat er dann viele Therapien probiert und ist schließlich an Lungenversagen gestorben und nicht unbedingt an Krebs. Oder an seinem Karma, oder war das Schicksal so bestimmt? Sriram bricht jetzt auf nach Indien um an der Todesfeier am 13. Tag in Chennai  zu sein. Die Seele wird da auf die Reise geschickt

Am selben Tag und zwei Tagen  zuvor sind auch zwei Freunde von mir gestorben:  Franzisca, die ich in meinem Buch porträtiert habe mit 66 und meine erste Liebe Georg mit 76. So war das Sterben plötzlich nah.

Ist der Tod etwas, das nur die unmittelbaren Angehörigen betrifft? Man darf sich nicht darüber äußern, besonders nicht im öffentlichen Rahmen eines blogs? Zu privat?  Ist der Tod privat und die Geburt nicht? Warum eigentlich ist der Tod so tabuisiert und wird als so furchterregend gesehen? Weil man sich mit der eigenen Vergänglichkeit auseinandersetzten muss. Wann bin ich dran, oder wann die, die mir so lieb sind?

Der Verlust des Intimen, das was zwischenmenschlich passiert,  ist tatsächlich etwas sehr privates, es ist das, was zwischen Familienmitglieder oder den Lebenspartnern, oder sehr engen Freunden geschah und geschieht,  und das gehören m. E. nicht in den öffentlichen Raum. Aber der Endgültigkeit des Lebens ins Auge zu schauen doch sehr. Wie finden wir dann die richtige Sprache zwischen schöngeistigen Sprüchen um den Tod herum und dem stummen Ausgeliefertsein? Wie eine kraftvolle Sprache  im Moment des  Vergehen eines geliebten Lebewesen ohne dem Preisgeben des sehr Privaten?

Tod und Leben gehören zusammen wie schwarz und weiß sagen Weisheitslehren.

Wie positiv und negativ. Ist negativ dann für den Tod reserviert? Aber wenn doch für den Gegangenen jetzt Feierabend ist, sollten wir nicht eine positivere Einstellung zum Tod haben? Ich denke mal, eine solche Einstellung geht vom Sterbenden aus und beeinflusst so die Überlebenden..

Hängt jenes menschliche Lebewesen  an seinem oder ihrem Arbeitsalltag fest und will nicht in den Feierabend gehen, beeinflusst es nämlich unbewusst auch die Überlebenden: Feiert er oder sie oder es schon? Oder sind doch wir, die Zurückbleibenden die Unglücklichen und lassen den Sterbenden nicht abfeiern,  abtanzen oder abwandern ins Unendlich?

Halten wir, die noch fest verankerten in diesem Dasein sind, die Seelen der Sterbenden fest mit unseren Verlustängsten?  Denn das Unendliche zu erfahren, zu begreifen,  bleibt dem Lebenden verschlossen – da kann ein Elon Musk noch soviel Fahrten ins All verkaufen wollen in naher Zukunft – es ist der Tod der diese Wahrnehmung bringt.

Woher ich das zu behaupten weiß? Es ist meine positive Einstellung für den Abgang wo der Tod der letzte Liebhaber wird. Ich denke so. Ich habe den Tod oft als Erlösung für die mir nahstehenden gesehen. Da war mein Vater, total Kriegsgeschädigt, voller schmerzender Wunden nach dem zweiten Weltkrieg, auch meiner Tanten und Onkel auch mein Bruder. Auch nach dem plötzlichen Tod meiner Mutter war es diese Einstellung,  die getröstet hat.

Und der unzeitige Tod? Unfall oder Leichtsinn? Das was unerwartet und ohne eigenes Karma, trifft, etwa als eine Naturkatastrophe? Die Flut, der Blitz, das Feuer?  Das Plötzliche ist das Schreckliche.  Weil die Sinnsuche in diesem Moment Feierabend macht.

Über den selbstbestimmten,  bewussten oder unerwarteten Tod mit Leichtigkeit und Freude zu diskutieren, wäre doch eine sinngebende Aufgabe für alle spirituell geneigte Lebewesen.

 

 

Ein Kommentar

  1. Hallo Anjali,
    Danke für deine Gedankengänge zum Tod; ihn in den Zusammenhang zu setzen zu Feierabend und einem Photo eines Privatgartens, wuchtig!
    Heute hatten Barbara Ostertag und ich sehr ähnlich miteinander gesprochen: persönlich-intim und über was ich sonst überhaupt nicht ausgespreche: starke Schmerzen, in Wellen, dadurch kein durchgehender Schlaf, monatelang, ohne erkennbare Ursache – und die dabei durch so langes Üben des Yoga wahrnehmbaren Regungen hinter oder unter der Schmerzwelle, wie eine gelassenruhige Plattform die von den Atemwellen und Atemstillen berührt wird, ohne Schmerz. Barbara würde sagen, der Kontakt zum Unendlichen.
    Vielen Dank an unsere Lehrer.
    herzlich, Klaudia

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