Sri Desikachar Sir verläßt das Jammertal

Ich stand heute morgen um 3.40 auf um Wasser zu trinken. Srirams Telefon klingelte und es war um diese nächtliche Zeit ein Anruf aus Indien. Ich ahnte, das es sich seit den seit Tagen an hohem Fieber leidenden Lehrer handelte.  Plötzlich hatte ich das Gefühl, dass Sri Desikachar  gestorben sei. Mitten in der Nacht suchte ich im Internet und fand Paul Harveys POST:

Desikachar ist am 8.8. 16  2 Uhr 45 gestorben und das ist am 7.8.  22 Uhr 15 in Deutschland.

Ohne Yoga  kommerzielle Label oder Namen zu verpassen, gar ein Geschäft daraus zu machen,  dagegen  in feiner Weise mit subtilen Nuancen den Körper zu betrachten, gab es den richtungsweisenden Meister für Yoga Sri Desikachar auf unserem Planet. Er hat uns davor bewahrt hat, fundamentalistische Gedanken oder Religiöses, gar Psyeudospirituelles in Yoga zu bringen und dass in einer Zeit, die von überzeugten Gruppierungen mit starken Meinungen nur so strotzt. Wir werden einen solche Menschen wie ihn vermissen.

Er ist jetzt fort von dieser Welt, die so viel Freude offenbart, aber auch ein Jammertal ist. Die zwischen Gut und Böse, zwischen Schwarz und Weiss sich hin und her bewegt. Und die viel Leid auf Sirs Schultern abgeladen hat:  Karma – für einen indischer Yoga-Lehrer wirkt die Bürde des Karma noch mehr weil er darüber lehrt  – holt ein.. Nicht nur sein eigenes, sondern auch dass seiner Schüler, hinzukommt ein nicht von außen einsehbares Familienkarma.

Jetzt ist es von ihm abgefallen und ich wünsche ihm alles Gute für seine Reise in die Unendlichkeit.

Dabei denke ich an seinen letzten großen Auftritt beim Seminar in Österreich September  2009. Er redete über die Bedeutung eines speziellen  Mantras, er sprach ohne Hemmung über Bhakti und das man auch “Senjore Jesus” statt “Om namah sivaya” singen könne und er sang “Jesus”  inbrüstig, schon an der Grenze zwischen Wahn und Genialität. Erst an dieser Grenze kann der oft feindlich auftretende Intellekt mit der Ratio etwas sehr inniges im Menschen freilegen.  Namen oder Religionen werden dann austauschbar und etwas Unbenennbares bekommt Gültigkeit. Auch die Dialogstunde mit ihm und Sriram mit Fragen und Antworten gegenseitig war eine Sternstunde der indischen Yogaphilosophie und ich ärgere mich heute, dass ich nichts aufgeschrieben habe. Hier wurden  großen Einsichten, in was Yoga sein kann, offensichtlich. Leider waren die meisten Teilnehmer bei Kausthub in der Stunde und haben das verpasst. Letzterer  wurde damals wie ein Star gefeiert, obwohl ich ihn  bei übergriffigen Situationen damals (auch zum Leidwesen von Sir) beobachtet habe. Ich frage mich warum Menschen, die Yoga üben, sich so haben blenden lassen und was das mit ihrem Karma zu tun hat? Schon damals hat es mich tief gekränkt wie der junge Sohn  seinen ehrwürdigen Vater, also Sir,  in der Öffentlichkeit in Schranken verwies, als Sir  von den Fähigkeiten seines Vaters Krishnamacharya lobend Dinge preisgab.  Es war mir peinlich, dass niemand zu Gunsten von Sir sprach und alle für Kausthub aufstanden als käme ein General in den Raum.  Sir wirkte bescheiden und schon hilflos. Er wehrte sich längst gegen die Benennung seines Stils zu Viniyoga.

Ich hörte aus Indien, dass nur 20 Menschen bei der Einäscherung heute morgen waren, dass der Tote sehr schnell verbrannt worden sei.  9.30 am Morgen war alles vorbei.  Es scheint, als sei die Welt nicht groß informiert worden und die Familie wollte nichts hinauszögern, Es schmerzt,  dass eine so große Persönlichkeit mit einer weltweiten Schülerschaft nun einfach so schnell weggefegt ist, quasi sang und klanglos verabschiedet.

Es bleiben viele Fragen offen. In den griechischen Tragödien kommt dann immer die Frage, welchen Fluch hat er auf sich genommen? Was immer sei – ich jedenfalls werde seine höchst ungewöhnlich verständnisvolle Art und Weise, mit der er seinem Gegenüber ins Herz und in die Gedanken blicken konnte, nie vergessen und entzünde eine Lampe in zu seinem Andenken.

 

8 Kommentare

  1. Meinem Mitgefühl zum Ableben Desikachars an all seinen engsten Schüler und tiefem Dank dem Leben einem so großen Lehrer und Mensch begegnet zu sein, auch wenn ich wie vielen ihn nicht persönlich kannte, sondern nur ein, zwei Mal erleben durfte. Danke auch an Sri Ram, der uns die Tradition Desikachars weiter vermittelt, diesen unermeßlichen Schatz.

    Mich hat seiner Haltung gegenüber die Widrigkeiten des Lebens (das was wir erfahren durften) sehr beeindrückt, wie er auch da dem YOGA gelebt hat. Sein Vorbild hilft auch im Alltäglichen die innere Ausrichtung beizubehalten und YOGA mitten in der Dualität zu verwirklichen. Ich halte die Errinnerung an der Fortbildung 2010 in London, wo wir mit ihm in die Kirche des Klosters vedischen Texte rezitieren durften, dort hatte er eine Stunde lang eine Brücke zwischen Ost und West, zwischen den Gegensätze gebaut worden, die Dualität aufgehoben. Selbst als er began schwächer zu werden, hatte er nichts von seiner Größe verloren. Er wird in dem unendlichen Fluss der Gelehrten weiterleben indem wir seiner Lehre den Menschen weiter vermitteln.

    Claire

  2. Danke für deine klaren Worte, Anjali.
    Ich habe eine kleine Ahnung davon, dass es eine Erleichterung ist, das Jammertal des Lebens zu verlassen, wenn die Zeit reif ist dafür. Doch zunächst einmal heisst es, jenes Tal zu durchschreiten, genauso wie die Bergipfel zu genießen und das hat T.K.V. Desikachar mit Liebe, Anmut und Respekt allen und allem gegenüber gemacht. Und auf seinem Weg hat er uns reichlich beschenkt mit seinem Wissen. Unkommerziell, einfach nur gebend, ohne Bedingung.
    Es ist so wichtig, dass du das Verhalten von Kaustub beschreibst, Anjali. In meiner Wahrnehmung kann ich ihn nicht mehr erkennen im Guru-paramparam mit Ursprung Krishnamacharya.
    Mein Licht und meine Verehrung für Desikachar. Manchmal braucht es nur eine einzige Begegnung, um eine Herzensverbindung zu entflammen. Ich durfte ihn zweimal treffen und fühle mich sehr beschenkt. In den letzten Tagen dachte ich oft an den Unterricht bei Desikachar bzgl. YS 2.16: heyam duḥkham anāgatam “Wir sollen zukünftiges Leid im voraus erkennen und vermeiden.” Die Klesha in ihrem Wirken bemerken und sie in Schach halten. Entwicklungen von Angst, Ablehnung, Gier etc. in ihrer Entwicklung voraussehen, verhindern, abschwächen oder akzeptieren.
    Möge Kaustub mit klarer Wahrnehmung und daraus erwachsender Herzenshandlungen beschenkt werden.
    And Sir: Fly high and have a pleasant journey!

    • Wenn jemand stirbt, empfinde ich da etwas großes Positives, als würde eine Seele sich auflösen und nicht mehr in der Dualität wie wir Zurückgebliebenen kämpfen müssen. Einzelseele, jeevatma geht in Allseele parmatma. Deshalb bezeichne ich die Welt als ein Jammertal, (sagte die Bible das nicht auch?) und so wie die Dichterin Mahadeva Akka sagt, “werf sie ins Feuer die sterblichen Ehemännern”, meint sie auch sie gehören dazu zum Jammertal. Das ist ein tiefer ins Mystische gehender Gedanke.Er kann wirklich sehr missverstanden werden (siehe blogpost zu Yogini M.Akka)

      Auch ist Empathie in mir. Eine Frau verliert ihren Mann, einen Sohn seinen Vater. Menaka und Kaustub bekommen sicher Beileidsbezeugungen von ihren Angehörigen und von dem Weltgeist. Aber der Geist Antigones spricht in mir, wieviel Respekt und Rituale brauchen die gerade Gestorbenen um sich zu befreien?

      Heike- ich habe keine familiäre Beziehung zu Lehrern. Jesus sagte zu seiner Mutter, “Weib was habe ich mit Dir zu schaffen?” Auf dem Pfad in ein friedlichere Welt gilt was die Gita uns lehrt: “Wenn eine Mutter ihren eigenen Sohn mehr liebt als die Söhne anderer Mütter, entsteht Krieg.” und das spielt sich ja dauernd ab. Schau um Dich.
      Mögen alle Lebewesen glücklich sein, und wir sind als ganze Welt zusammen die Familie, aber eine Familie, die auch ihre Kinder erzieht und Grenzen setzen muss mit Strenge, sonst fällt die Menschheit ins Zersetzende und Zerstörerische und wird zutiefst reaktionär. Letzteres für mich ein Schimpfwort!
      Ja zu Beileid, dabei gleichzeitig nein zu Fehlverhalten. Wir hängen alle zusammen. Weltenkarma prägt uns ungemein auch wenn wir meinen, auf einem ganz wichtigen eigenständigen Weg zu sein. Vorsicht ist immer geboten!

  3. Ich bin unendlich dankbar für dieses Geschenk & das Licht dass er hinterlassen hat, auch wenn ich ihn nicht persönlich kannte.Danke euch für das “erhalten” dieser Flamme. Er leuchtet in uns weiter indem wir dieses Wissen in Ehren halten & weitergeben.

  4. Was er mitgeteilt hat, ob in Büchern, auf Workshops oder seinen Schülern, die jetzt unsere Lehrer sind, wird niemals enden. Er wie auch seine Worte werden in unserem Herzen weiterleben.

    Claudia

  5. Auch wenn er schon länger weg war, hat mich die Nachricht von seinem Tod getroffen. Ich habe ihn persönlich zwar nur ein paar mal erlebt, trotzdem war er eine solche Inspiration und wird es bleiben. Danke an Euch, Anjali und Sriram, dass ihr euer Wissen und Erlebnisse von Sir teilt und weiterträgt… .

  6. Vielen Dank für diesen interessanten Bericht. Sie sind im Moment die einzige Deutschsprachige, die über seinen Tod etwas mehr als nur die üblichen Worte verliert

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