Documenta 15

Unterschiedliche Kulturen definieren Kunst jeweils anders.

Hierzulande ist viel Geld im Umlauf und dominiert leider unser Kunstverständnis. Auch die Medien prägen das mit und diktieren uns, was Kunst sein sollte.

Die diesjährige documenta wollte das hinterfragen und aufbrechen. Konsequent hat sie “arme” und auch konfliktbeladene Länder eingeladen hier ihr Verständnis von Kunst vorzuführen. Und weil Palaestina ein solches Land ist und dabei war, hat sich irgend ein Zuständiger aus Israel beschwert, dass keine Künstler aus Israel eingeladen wurden. Es wurden ja m. E. weder Künstler aus der Schweiz, England, Frankreich oder USA eingeladen, denn Thema war auch die Landnahme der Indigenen und ihre Verständnis für Kunst.

Im Vorfeld habe ich schon gedacht: Haiti, Indonesien, afrikanische Länder, dazu Kollektive, die ganz andere, viel chaotischere Denkweise haben, ihre noch nicht gezähmte Kreativität, das nicht Vorausberechenbare – das wird nicht gut gehen! Wir sind hierzulande dafür noch nicht bereit. Es werden die bekannten Stars fehlen, die Labels, das, was zu vermarkten ist als die sogenannten Genies.

Doch hat mich der eintägige Besuch gefesselt.

Gleich zu Anfang war ich in einem Garten. Hier wurde gepflanzt und gekocht und mit den einfachsten Flechtmitteln eine kunstvolle Atmosphäre aus Lauben geschaffen. Vor allem stand die Frage “Wie sieht unsere Zukunft aus?” Die Antwort kann nicht mehr ein komplexer Frauenkopf eines Picasso sein, sondern es betrifft vor allem Nahrung, und an das Weibliche ganz anders angebunden zu sein. Der Garten hat mich inspiriert und berührt. Er kreierte ein Bhava, einen Zustand, der nur in Gemeinschaft sich verwirklichen lässt. Es ist der zentralste Gedanke von heute für die globale Welt: Wie werden wir uns ernähren um gesund zu bleiben und trotz der Klimakatastrophe noch überleben können.

Kunst ist immer auch das, was den Moment ausdehnt, die Endlichkeit mit der Unendlichkeit verbindet, sie umarmt, sich ihr hingibt.

Das Großartige, das Schöne, das perfekt Gelöste kann das nicht immer. Das Hässliche, Aufwühlende, das, was abstößt, auch nicht.

Das geniale Handwerk, welches auf Grund seiner Kunstfertigkeit erstaunen lässt und die Grenzen des Nichtkönnens aufzeigt, auch nicht immer.

Die drei afrikanischen Künstler haben Installation gezeigt, die meines Erachtens genial sind. Sie führen in die Zeitlosigkeit und in die Staatenlosigkeit. Schlicht, großartig und von tiefer Aussage berühren sie tief. Man verweilt und der Moment dehnt sich…..nirgends in den Medien wurden sie gezeigt. Aus Filmen konnte man über deren sozialem Bewusstsein lernen und erkennen, hier ist wahre zeitgemässe Kunst. Stelle ich sie der zeitgleichen Ausstellung im Berliner Gropius Bau von einer “gehypten” Künstlerin gegenüber, kann man diese Kunst als weniger narzisstisch wahrnehmen. Das ihre Namen, ihre Projekte nicht bekannt gemacht wurden, das liegt an den deutschen Medien, denen es darum ging, politisch zu argumentieren, ohne es auch nur im geringsten zu tun.

Dann fand ich die Roma Kunst ganz phantastisch. Sie als Folklore abzustempeln, wäre ja genau jenes rassistische Denken, das der documenta Leitung vorgeworfen wird.

Und Haiti: wie mystisch war die Ausstellung der Voodoo Künstler in einer baufälligen Kirche. Und wie voll war die Kirche, nicht nur von erstaunten Menschen, sondern auch vom lebendigen Geist der Skelette, der Reliquien, der Botschaften des Leidens. Eine magische Glaubenswelt betrat die Räumlichkeiten, füllte die Leere eines wunderschönen Bauwerks Plötzlich wurden die Gebetsräume transzendiert und die Existenz einer sehr starken geheimnisvollen Kraft wurde spürbar.

Dann Taring Padi, bei Ruangrupa, den Kuratoren, im Hallenbad Ost. Ihre Wandbilder sind schreiend. Nein, die großen Banken können sie nicht ankaufen als Foyerbilder, sie sind in der Tat zu politisch. Ihre Botschaft ist nicht veraltet: sie ruft ” Save our planet.” Dass irgendwo die Nato als Schwein dargestellt ist – , ja das sind wir alle! Was wir verbrechen und verbrochen haben ist grauenvoll und wird uns hier bewusst.

Aber dass für die Kritik an Israelischer Politik hierzulande kein hässliches Judenklischee benützt werden darf, hätte man wissen müssen. In Deutschland geht das nicht. Aber warum es nicht geht? Für diese Antwort hätte es viel Möglichkeiten und Raum gegeben. Provokative Kunst verlangt ja den Dialog. Die jüdische Gemeinde hat ihre Chance verpasst, einen großen Auftritt vor dem zugehängten Wandbild hinzulegen. Wo waren sie? Alles hat sich hinter der Bürokratie versteckt und dieser die Schuld zugewiesen. Es gab nur: “Abhängen, weg, untern Teppich kehren, Leute entlassen.”

Dass solche, höchstens 2 cm winzige Schweinereien, auf einem riesigen, überdimensionalen Wandbild eine ungewöhnlich kreative Kunstschau überdeckten, ist höchst bedauernswert. Es offenbart nämlich nichts von dem Antisemitismus, der hierzulande längst überall herrscht. Und weil nichts gegen den unternommen wird, braucht man ein Bauernopfer.

Ich empfinde die Gedanken der documenta 15, Kunst, die keinen übergroßen Wert auf die Urheber legt, Kunst quasi Entindividualisiert und sie eher als ein Schrei aus dem Off präsentiert, als Kunst, die etwas heilsames hat in dieser dieser destruktiven Zeit.

Taring Padi documenta 15

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